Pflichten des Geschäftsführers in der Krise der GmbH
Bei vielen Start-ups treten nach den ersten Finanzierungsrunden Liquiditätsengpässe auf. Dabei kann schon die Suche nach finanziellen Mitteln den Geschäftsführer vom Tagesgeschäft abhalten. Was viele Geschäftsführer von Start-ups nicht wissen, ist, dass auch in Krisensituationen an sie besondere Anforderungen gestellt werden, die mit teils erheblichen persönlichen Haftungsrisiken (Privatvermögen!) verbunden sind und teilweise auch zu einer Strafbarkeit des Geschäftsführers führen können. Daher sollte man als Geschäftsführer einer GmbH von diesen Anforderungen zumindest schon einmal gehört haben und sich diesbezüglich sensibilisieren. Vielleicht sollte auch überlegt werden eine D & O-Versicherung für den Geschäftsführer abzuschließen.
Die folgenden Ausführungen können dabei nur einen ersten Überblick darstellen und erheben nicht den Anspruch auf Vollständigkeit. Sie können eine individuelle rechtliche Beratung im Einzelfall nicht ersetzen.
Eine „Krise“ der GmbH in diesem Sinne liegt vor, wenn diese insolvent wird, das heißt wenn die Schulden der GmbH deren Vermögen übersteigen (Überschuldung) und/oder wenn die GmbH die fälligen Verpflichtungen nicht mehr erfüllen kann (Zahlungsunfähigkeit).
In der „Krise“ der GmbH treffen die Geschäftsführer sowohl gegenüber der Gesellschaft, den Gesellschaftern und unter Umständen auch gegenüber den Gläubigern der GmbH besondere Handlungspflichten. Diese besonderen Handlungspflichten lassen sich grob in vier Teilbereiche untergliedern:
- Gesteigerte Informationspflicht
- Sanierungs- und Überwachungspflicht
- Gesteigerte Vermögensschutzpflicht
- Insolvenzantragspflicht
Der Geschäftsführer muss nicht erst in „Krise“, sondern schon, wenn das halbe Stammkapital verbraucht ist, unverzüglich die Gesellschafter der GmbH informieren (sog. „Verlustanzeige“) und eine Gesellschafter-Versammlung einberufen. Der Geschäftsführer hat auch Vorschläge zu machen, wie die Krisensituation gelöst werden kann (z.B. durch Kapitalerhöhungen; durch einen Forderungsverzicht seitens der Gesellschafter oder durch ein Gesellschafterdarlehen mit qualifizierten Rangrücktrittserklärungen). Diese Pflicht besteht allerdings nicht bei einer Ein-Personen-GmbH oder wenn alle Gesellschafter zugleich Geschäftsführer sind. Eine schuldhafte Verletzung der Einberufungspflicht führt zur persönlichen Schadensersatzpflicht des Geschäftsführers und ist zudem nach § 84 Abs. 1 GmbHG strafbar.
Der Geschäftsführer hat vor Auszahlungen an einen Gesellschafter oder einen gleichgestellten Dritten zu prüfen, ob die Zahlung zur Zahlungsunfähigkeit der GmbH führen würde. Ist dies der Fall ist die Auszahlung strikt verboten und das unabhängig davon, ob eine Weisung der Gesellschafterversammlung diesbezüglich vorliegt. Verstößt der Geschäftsführer gegen das Auszahlungsverbot schuldet er der GmbH den Ersatz der Zahlung.
Verboten sind dabei nicht nur solche Zahlungen, die sofort und kausal zur Zahlungsunfähigkeit führen, sondern auch Zahlungen, bei denen ein objektiver Betrachter zu dem Ergebnis kommen musste, dass zu einem späteren Zeitpunkt der Eintritt der Zahlungsunfähigkeit überwiegend wahrscheinlich ist (Solvenztest). Nur dann, wenn die Zahlungsfähigkeit der GmbH auch nach Auszahlung bis zum Ablauf des nächsten Geschäftsjahres nicht gefährdet wird, kann er diese, ohne sich eines Haftungsrisikos gemäß § 64 Satz 2 GmbHG auszusetzen, zulassen.
In der „Krise“ der GmbH ist der Geschäftsführer – im Rahmen des von der Gesellschafterversammlung eingeräumten Handlungsspielraumes verpflichtet sich bis zum Vorliegen einer Insolvenzantragspflicht um die Abwehr der Krise zu kümmern und aktiv mit Priorität vor anderen Aufgaben gegenzusteuern. Dabei sollte auf jeden Fall vermieden werden zu lange zu zögern, da der Handlungsspielraum des Geschäftsführers immer weiter eingeschränkt wird bzw. das weitere Vorgehen immer mehr fremdgestimmt wird.
In der „Krise“ kann sich aufgrund der Treuepflicht eine Verpflichtung des Geschäftsführers ergeben, einer Stundung oder Herabsetzung der Geschäftsführerbezüge zuzustimmen. Ein Verzicht auf die Bezüge sollte jedoch aus steuerlichen Gründen nicht erklärt werden, da das Finanzamt u.U. dann eine mangelnde Ernsthaftigkeit bei der Durchführung der Gehaltsvereinbarung unterstellt, so dass lediglich eine Stundung, bis sich die Liquidität der Gesellschaft bessert, zu empfehlen ist.
Die Abzugssteuern (insbesondere Kapitalertrags- und Lohnsteuer) müssen bei Zahlungsschwierigkeiten unbedingt vorrangig vor allen Verbindlichkeiten der Gesellschaft bezahlt werden, da der Geschäftsführers ansonsten persönlich für diese Beträge haftet. Die übrigen Steuerschulden (z.B. Umsatzsteuer) müssen nur im gleichen Verhältnis getilgt werden wie die Verbindlichkeiten gegenüber anderen Gläubigern.
Reichen die Mittel zur Befriedigung aller Gläubiger und zur Zahlung der vollen Löhne, einschließlich des Steueranteils, nicht aus, dürfen Löhne nur gekürzt als Vorschuss oder als Teilbetrag ausgezahlt werden. Aus den dann übrig bleibenden Mitteln muss die entsprechende Lohnsteuer an das Finanzamt abgeführt werden. Auf keinen Fall darf die volle Lohnhöhe an die Arbeitnehmer ausbezahlt werden, wenn die auf ihr lastenden Steuern zum Fälligkeitszeitpunkt nicht mehr beglichen werden können.
Zu beachten ist auch, dass eine Steuerhinterziehung vorliegen kann, wenn fällige Steuererklärungen nicht abgegeben werden (z.B. Umsatzsteuer-Voranmeldungen). Daher sollte eine Steuererklärung auch abgegeben werden, wenn die berechnete Umsatzsteuer nicht oder nicht vollständig bezahlt werden kann.
Der Geschäftsführer kann auch persönlich für Arbeitnehmeranteile zur Sozialversicherung haften und ggfs. verpflichtet sein Schadensersatz zu zahlen, wenn er dieses nicht fristgerecht zahlt. Des Weiteren macht der Geschäftsführer sich durch die Nichtabführung von den Arbeitnehmeranteilen zur Sozialversicherung gemäß § 266 a StGB strafbar. Abzuführen sind vorrangig allerdings nur die Arbeitnehmeranteile zur Sozialversicherung. Zahlt der Geschäftsführer bei Zahlungsschwierigkeiten auch die Arbeitgeberbeiträge zur Sozialversicherung, kann er wiederum der GmbH gemäß § 63 Abs. 3 GmbHG schadensersatzpflichtig sein, da er in diesem Falle die Sozialversicherungsträger zu Unrecht den anderen Gläubiger gegenüber bevorzugt.
Wenn die Liquidität nicht ausreicht, die vollen Sozialversicherungsbeiträge zu bezahlen, sollte die Krankenkasse angewiesen werden, die Zahlungen vorrangig auf die Arbeitnehmeranteile zu verbuchen, da nur für Arbeitnehmeranteile persönlich vom Geschäftsführer gehaftet wird. Dies kann durch eine ausdrückliche Tilgungsbestimmung auf dem Scheck oder dem Überweisungsträger sichergestellt werden.
Der Geschäftsführer haftet grundsätzlich auch für die nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft oder nach Feststellung ihrer Überschuldung geleisteten Zahlungen persönlich.
Dabei ist darauf zu achten, dass nicht nur aktive Zahlungen hierrunter fallen, sondern z.B. der Tatbestand auch erfüllt ist, wenn der Geschäftsführer bei Insolvenzreife Einzahlungen Dritter auf ein im Soll (Minus) befindliches Bankkonto der GmbH zulässt. Grund hierfür ist, dass er ansonsten zu einer bevorzugten Befriedigung eines Gläubigers, nämlich der Bank, beitragen würde, was mit der Pflicht zur Massesicherung nicht in Einklang stünde. Befindet sich das Bankkonto der GmbH im Minus, so muss der Geschäftsführer daher zur Haftungsvermeidung bei Insolvenzreife ein Bankkonto bei einer anderen Bank mit positiven Saldo eröffnen und dieses Bankkonto den Schuldnern so schnell wie möglich mitteilen und Zahlungen nur noch auf dieses zulassen.
Die Pflicht zur Nichtvornahme von Zahlungen gilt aber nur insoweit, als durch diese Zahlung die Verteilungsmasse geschmälert würde. Gelangt dagegen eine wertmäßig gleiche Gegenleistung in das Vermögen der GmbH, liegt normalerweise kein Verstoß des Geschäftsführers vor.
Der Geschäftsführer darf auch solche Leistungen aus dem Vermögen der Gesellschaft erbringen, die erforderlich sind,
- um einen sofortigen Zusammenbruch der Gesellschaft zu verhindern und hierdurch aussichtsreiche Sanierungsmaßnahmen zu ermöglichen sowie
- um größere Schäden z.B. durch eine sofortige Betriebsstilllegung zu verhindern.
Einer der häufigsten Gründe für die persönliche Haftung des GmbH-Geschäftsführers ist die Insolvenzverschleppung, also die verspätete Stellung des Insolvenzantrags.
Der Geschäftsführer hat spätestens drei Wochen nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung der Gesellschaft zwingend die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens zu beantragen. Ein Verstoß gegen diese Pflicht ist nach § 84 Abs. 1 Nr. 1 Abs. 2 GmbHG strafbar.
Je kleiner die Liquiditätslücke ist, desto begründeter ist die Erwartung, dass es dem Schuldner gelingen wird, das Defizit in absehbarer Zeit zu beseitigen.
Beträgt eine innerhalb von drei Wochen nicht zu beseitigende Liquiditätslücke weniger als 10% der fälligen Gesamtverbindlichkeiten, darf der Geschäftsführer regelmäßig noch von Zahlungsfähigkeit auszugehen, soweit nicht absehrbar ist, dass die Lücke in naher Zuklunft über 10% liegt. Eine Liquiditätslücke von 10% oder mehr führt regelmäßig zur Annahme der Zahlungsunfähigkeit, es sei denn es ist mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zu erwarten, dass die Liquiditätslücke demnächst vollständig oder nahezu vollständig beseitigt werden wird und den Gläubigern ein Zuwarten nach den besonderen Umständen des Einzelfalls zugemutet werden kann. Diese besonderen Umstände müssen vom Geschäftsführer konkret dokumentiert werden.
Die Überschuldung wird bestimmt, indem das Vermögen der GmbH nach Liquidationswerten und unter Berücksichtigung der möglicherweise bestehenden stillen Reserven den Verbindlichkeiten der GmbH gegenüber gestellt wird. Reicht das Vermögen zur Deckung der Verbindlichkeiten nicht mehr aus, liegt eine Überschuldung vor, es sei denn, für die Gesellschaft kann eine positive Fortführungsprognose erstellt werden.
Die Fortführungsprognose einer GmbH ist positiv, wenn ihre Finanzkraft mit überwiegender Wahrscheinlichkeit mittelfristig, d. h. mindestens innerhalb eines Jahres zur Fortführung ihres Unternehmens ausreicht. Die der Fortführungsprognose zu Grunde gelegten Plandaten haben die Geschäftsführer auf Basis eines schlüssigen unternehmerischen Konzepts zu ermitteln.
Ganz wichtig zu berücksichtigen ist, dass die bekannte Drei-Wochen-Frist eine Höchstfrist ist, die nur ausgenutzt werden kann, solange mit einer erfolgreichen Sanierung innerhalb der Frist zu rechnen ist. Scheitern Sanierungsgespräche, ist der Insolvenzantrag unverzüglich zu stellen; die Frist darf dann nicht ausgereizt werden.
Wenn sich der Geschäftsführer nicht sicher ist, ob der Tatbestand der Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung vorliegt, sollte die Beratung eines spezialisierten Rechtsanwalts oder eines Steuerberaters zum Bestehen einer Insolvenzantragspflicht eingeholt werden. Vorteil ist nämlich, soweit der Berater von den Geschäftsführern ordnungsgemäß und vollständig informiert wird und dessen Antworten von den Geschäftsführern auf ihre Plausibilität überprüft werden, keine Verletzung der Insolvenzantragspflicht vorliegt, jedenfalls keine schuldhafte, wenn auf Anraten des Beraters kein Insolvenzantrag gestellt wird.
Der Geschäftsführer kann zwar grundsätzlich jederzeit sein „Amt“ niederlegen (u.U. verletzt er dann aber seinen Anstellungsvertrag). Er darf sein Amt allerdings grundsätzlich nicht in der „Krise“ und Insolvenz, also zur Unzeit beenden. Um den Pflichten des Geschäftsführers in „Krise“ und Insolvenz und damit den Haftungsgefahren zu entgehen, hilft daher grundsätzlich lediglich die Amtsniederlegung vor Eintritt der Insolvenzreife.
Stand Januar 2014