Pflege für Queere Menschen: Immernoch ein Tabu-Thema?
Pflege im Alter ist in ganz Deutschland ein Thema, das immer mehr an Bedeutung gewinnt. Durch den demografischen Wandel steigt die Zahl älterer Menschen, welche von tendenziell immer weniger jungen Menschen gepflegt werden. Bei der Debatte um Seniorenarbeit und ein betreutes Altern in Würde wird meistens leider nicht auf die Bedürfnisse von gesellschaftlichen Minderheiten eingegangen. In diesem Artikel wollen wir auf die Notwendigkeit und das Potenzial einer queer orientierten Pflege eingehen.
In den letzten Jahren wurden, dank wachsender Sensibilität und gesellschaftlichem Engagement, die Bedürfnisse von queeren Menschen deutlich sichtbarer. Diese Bedürfnisse sind besonders in der Pflege anzutreffen, weshalb bei den Serviceangeboten unbedingt umgedacht und sich spezialisiert werden muss, um auf diese Anforderungen auf die bestmögliche Weise eingehen zu können.
Was ist LGBTQI+ Pflege
Zuerst einmal sollte geklärt werden, was die Abkürzung LGBTQI+, welche uns im Alltag immer häufiger über den Weg läuft, eigentlich bedeutet. Die Buchstaben stehen für Lesben, Schwule, Bi-, Trans- und intergeschlechtliche Mitmenschen, sowie das + für weitere, nicht abgekürzte Sexualitäten und Geschlechter. Diese Bevölkerungsgruppen altern selbstverständlich auch und es gibt einen immer größer werdenden Bedarf an Pflege und Alltagshilfe speziell für diese Menschen.
Allerdings herrscht in Deutschland nach wie vor ein Defizit an geschultem und sensibilisiertem Personal für die Betreuung queerer Menschen. Vor allem bei Residenzen und Pflegeeinrichtungen herrscht großer Mangel. Denn wie jeder Mensch haben Personen, die zu diesen Communities gehören, spezielle Bedürfnisse und Anliegen.
Besonderheiten bei queeren Menschen in der Pflege
Was gibt es also alles zu beachten? Häufig bleiben queere Personen und Paare kinderlos, wodurch die ohnehin häufig vorkommende Vereinsamung im Alter bei LGBTQI+ Menschen besonders ausgeprägt ist.
Die Problematik wird im Bericht der Tagesschau deutlich: Besonders bei der körperlichen Pflege ist die Sensibilisierung und das Vertrauen ausschlaggebend. Die Würde des Menschen wird bei der Pflege angetastet und eine vertrauensvolle Basis ist essenziell. Ist diese nicht gegeben, wenn z.B. das Personal die zu pflegende Person ablehnt, wird das betreute Altern für diese schnell zur nächsten traumatischen Erfahrung und Leidenszeit.
Pflegepersonal muss dementsprechend sensibilisiert werden, denn die Empfänger litten häufig unter gesellschaftlicher Diskriminierung und Unverständnis. Unsensibilisiertes Pflegepersonal kann diesen Effekt im Alter, eine Zeit, in der im Leben erlittene Traumata häufig wieder zu Tage treten, verstärken.
Potenzial: Wenige Einrichtungen, steigende Nachfrage
Wie bereits erwähnt, gibt es in Deutschland nach wie vor wenig Kapazitäten für bedarfsgerechte Plätze in Residenzen und Pflegeeinrichtungen, aber auch in der häuslichen Pflege und Alltagshilfe besteht eine große Nachfrage und wenig Angebot für queere Menschen. Die Anzahl an potenziellen Kund*innen ist hierbei, genau wie die längst fällige Normalisierung und Inklusion der Bedürfnisse von LGBTQI+ Mitmenschen, stetig steigend. Unter wirtschaftlichen und sozialen Aspekten ist die spezialisierte Pflege und Hilfe ein interessanter/attraktiver Geschäftsbereich, bei dem die Nachfrage stetig wächst und bisher viel zu wenig Angebot an entsprechend ausgebildetem Personal herrscht.
Die schon heute existierenden Einrichtungen beschränken sich auf einige wenige Städte im gesamten Bundesgebiet. Hamburg, die zweitgrößte des Landes, verfügt zum Beispiel nur über eine Handvoll von Anbietern und es gibt wenig bis gar keine einheitlichen Linien zum Umgang von LGBTQI+ Pflegeempfangenden.
Führend in dieser Angelegenheit ist hierbei die Hauptstadt Berlin. Hier wird das Qualitätssiegel „Lebensort Vielfalt“ an Einrichtungen mit entsprechendem Aufnahmevermögen für LGBTQI+ Personen vergeben. Dieses Siegel wird auch vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend unterstützt und hat ein großes Potenzial, um in der Pflege in Zukunft einen einheitlichen und sensibilisierten Umgang auf hohem Niveau zu garantieren.
Bisher ist dies allerdings nur eins von mehreren Systemen, die geschaffen wurden, um würdevolles Altern von LGBTQI+ Personen zu garantieren. Auch hier fehlen also nach wie vor durchgängige Kriterien für die gerechte Pflege und Unterstützung. Allgemein muss die Sichtbarkeit von queeren Menschen im Alter steigen.